A. Gesetzeswortlaut von § 2 UWG

§ 2 Definitionen

(1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

1. „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen;

2. „Marktteilnehmer“ neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind;

3. „Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht;

4. „Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird; dies schließt nicht Informationen ein, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit die Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können;

5. „Verhaltenskodex“ Vereinbarungen oder Vorschriften über das Verhalten von Unternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben;

6. „Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt;

7. „unternehmerische Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält;

8. „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte;

9. „geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden.

(2) Für den Verbraucherbegriff gilt § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

B. Inhaltsverzeichnis
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I.  Geschäftliche Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1)
II. Marktteilnehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 2)
III. Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3)
IV. Nachricht (§ 2 Abs. 1 Nr. 4)
V. Verhaltenskodex (§ 2 Abs. 1 Nr. 5)
VI. Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6)
VII. Unternehmerische Sorgfalt (§ 2 Abs. 1 Nr. 7)
VIII. Wesentliche Beeinflussung von Verbraucherverhalten (§ 2 Abs. 1 Nr. 8)
IX. Geschäftliche Entscheidung (§ 2 Abs. 1 Nr. 9)
X. Verbraucher (§ 2 Abs. 2)

C. Literatur


§ 2 UWG enthält Definitionen für einen Katalog an Grundbegriffen des UWG. Sie bilden die Grundlage für die einheitliche Anwendung und Auslegung des UWG.

I. Geschäftliche Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1)

Bei der „geschäftlichen Handlung“ handelt es sich um einen Schlüsselbegriff des Wettbewerbsrechts und für die Anwendbarkeit des UWG. Dabei ist ausschließlich nach objektiven Kriterien zu urteilen, ob eine Wettbewerbshandlung vorliegt; auf eine Absicht des Handelnden kommt es nicht an. § 2 Abs. 1 Nr. 1 nennt mehrere Merkmale zur Erkennung einer geschäftlichen Handlung:

1.  Verhalten zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens

Geschäftliche Handlungen können sich begriffsimmanent ausschließlich auf Unternehmen beziehen. Rein private oder rein betriebsinterne Handlungen werden nicht erfasst. Bei Handlungen der öffentlichen Hand ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Teilnahme am Wirtschaftsverkehr vorliegt. Dies gilt ebenso für Vereine und Verbände. Im letzteren Fall sind z.B. Spendenaufrufe im Internet nicht als geschäftliche Handlung zu werten, wohl aber die Ankündigung eines von dem Verein herausgegebenen Buches auf einer Webseite (vgl. LG Essen, Urteil vom 26.04.2012, Az. 4 O 256/11).

Auch ist nicht jede berufliche Tätigkeit eines Freiberuflers ist als geschäftliche Handlung zu werten (vgl. LG Köln, Urteil vom 30.11.2010, Az.33 O 200/10 zur Veröffentlichung von Urteilen durch Rechtsanwälte).

Die reine Vorhaltung von Informationen im Internet – ohne die Bewerbung oder den Vertrieb von konkreten Waren oder Dienstleistungen – erfüllt nicht die Anforderungen an ein geschäftliches Handeln (vgl. OLG Köln, Urteil vom 29.05.2013, Az. 6 U 220/12 zur Information über alternative Heilmethoden).

2. Vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG stellt klar, dass geschäftliche Handlungen nicht starr an einen Geschäfts- oder Vertragsabschluss gekoppelt sind, sondern auch im Vorfeld und sogar nach einem Vertragsschluss stattfinden können. Durch diese Ausweitung wird  z.B. die Verwendung unwirksamer Lieferungs- oder Vorleistungsklauseln in AGB als geschäftliche Handlung erfasst oder Irreführungen bei der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen bzw. unzutreffende Abrechnungen.

3. Objektiver Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen / mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen

Die zu beurteilende Handlung muss objektiv der Absatz- oder Bezugsförderung von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens stehen, d.h. sie muss geeignet sein, einen wirtschaftlichen Vorteil herbeizuführen. Auf das tatsächliche Eintreten desselben kommt es hingegen nicht an. Auch eine Gewinnabsicht muss nicht vorliegen. Es genügt, wenn Umsatzeinbußen gemindert werden sollen; eine Steigerung des Absatzes oder der Versuch einer solchen ist nicht notwendig. Auch Tätigkeiten, die auf Erhaltung eines Unternehmens gerichtet sind, sind geschäftliche Handlungen.

Bei Medien ist zu unterscheiden: Alle Tätigkeiten, die dem verfassungsrechtlich geschützen Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit unterfallen, sind keine geschäftlichen Handlungen im Sinne des UWG. Wettbewerbsfördernde Maßnahmen wie das Anzeigengeschäft oder die Werbung von Abonnenten und sonstige Kundenakquisition sind jedoch sehr wohl als Wettbewerbshandlungen zu qualifizieren.

4. Waren: auch Grundstücke / Dienstleistungen: auch Rechte und Verpflichtungen

Der Begriff der Waren und Dienstleistungen wird durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 ausgeweitet, um alle Güter, die Gegenstand eines Handelns im geschäftlichen Verkehr sein können, zu erfassen.

II. Marktteilnehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 2)

Der Begriff „Marktteilnehmer“ beschreibt die Schutzsubjekte des UWG, wie sie schon in § 1 beschrieben werden: Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer. § 2 Abs. 1 Nr. 2 konkretisiert dabei die „sonstigen Teilnehmer“ noch als „alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind“. Dazu zählen Unternehmer (natürliche Personen oder Personengesellschaften), juristische Personen, Verbände, Stiftungen, Kirchen und sonstige Zusammenschlüsse, die unternehmerisch tätig sind.

Bei den sonstigen Marktteilnehmern stellt das UWG nicht auf ein horizontales Verhältnis wie bei Mitbewerbern („Konkurrenten“) ab, sondern auf ein vertikales, z.B. als Lieferanten ggü. Abnehmern.

III. Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3)

„Mitbewerber“ soll nach der Definiton des UWG sein, wer als Unternehmer mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Damit ist der Mitbewerber immer Unternehmer. Zudem muss zwischen zwei Mitbewerbern ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen, um Ansprüche aus dem UWG zuzulassen.

Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt vor, wenn zwei Mitbewerber auf demselben sachlichen und räumlichen Markt den gleichen Kundenkreis besitzen. Die Beurteilung und Abgrenzung muss im jeweiligen Einzelfall vorgenommen werden, was zu einer umfangreichen Kasuistik geführt hat, z.B.:

OLG Braunschweig, Urteil vom 27.01.2010, Az. 2 U 225/09: Kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Verkäufern von Damenmode und Herrenmode

OLG Celle, Urteil vom 08.03.2012, 13 U 174/11: Kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Internet-Goldankäufer und Goldankäufer mit Ladengeschäft

LG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2008, Az. 14c O 223/08: Kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Lebensmittel-Discounter und Kaffee-Fachgeschäft

OLG Celle, Urteil vom 02.08.2012, Az. 13 U 4/12: Kein Wettbewerbsverhältnis zwischen regional unterschiedlich handelnden Altgoldankäufern

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 11.12.2012, Az. 6 U 43/12: Zwischen einer Versicherung und einem Sachverständigen besteht kein Wettbewerbsverhältnis

OLG Frankfurt a.M. Urteil vom 31.07.2014, Az. 6 U 74/14: Kritische Berichterstattung über ein Unternehmen begründet kein Wettbewerbsverhältnis

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 28.01.2015, Az. 6 W 4/15: Zwischen einem bloggenden Rechtsanwalt und einem im Internet tätigen Unternehmen besteht kein Wettbewerbsverhältnis

IV. Nachricht (§ 2 Abs. 1 Nr. 4)

Der Begriff der „Nachricht“ in § 2 Abs. 1 Nr. 4 erfasst lediglich elektronische Kommunikation, nicht jedoch „altmodische“ Informationsübermittlung wie z.B. Zeitungen oder Handzettel. Im Zusammenhang mit § 7 UWG, für den die Defintion des § 2 Abs. 1 Nr. 4 lediglich Bedeutung hat, ist dies im Wesentlichen Sprachtelefonie, Telefax und elektronische Post wie E-Mails, SMS oder MMS.

V. Verhaltenskodex (§ 2 Abs. 1 Nr. 5)

Die Erläuterung des Begriffs „Verhaltenskodex“ entspricht sinngemäß der Definition in Art. 2 lit. f der UGP-RL (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern). Unternehmern soll durch die Schaffung von Verhaltenskodizes die Möglichkeit gegeben werden, bestimmte geschäftliche Handlungen oder spezielle Sorgfaltsmaßstäbe für die einzelnen Branchen in spezifischer Weise niederzulegen und zu konkretisieren.

VI. Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6)

Für den Unternehmerbegriff verweist § 2 Abs. 1 Nr. 6 nicht auf § 14 des Bürgerlichen Gesetzbuches, sondern schafft eine eigene Definition, welche nicht nur natürliche und juristische Personen umfasst (auch Personengesellschaften in erweiterter Auslegung), sondern darüber hinaus auch Personen, die im Namen oder Auftrag einer der erst genannten Personen handeln. Somit sind auch Mitarbeiter, die für das sie beschäftigende Unternehmen handelt, als Unternehmer anzusehen. Durch diese Erweiterung passt der Unternehmerbegriff des UWG nicht mehr mit dem allgemeinen Zivilrecht zusammen, sondern hat eine Sonderstellung. Notwendig wäre diese Ausdehnung des Unternehmerbegriffs nicht gewesen, da die Zurechnung der Handlungen von Mitarbeitern oder Beauftragten an ein Unternehmen bereits nach allgemeinen Regeln möglich sowie darüber hinaus in § 8 Abs. 2 UWG geregelt ist.

VII. Unternehmerische Sorgfalt (§ 2 Abs. 1 Nr. 7)

Die von Unternehmern und Unternehmen zu beachtende Sorgfalt (früher: „fachliche Sorgfalt) knüpft an einen „Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt“ an, welcher sich in erster Linie aus gesetzlichen Vorschriften für das Verhalten von Unternehmern gegenüber Verbrauchern ergeben, z.B. Informations- und Belehrungspflichten. Dabei ist die Definition das Abs. 1 Nr. 7 eingegrenzt auf den Tätigkeitsbereich von Unternehmern gegenüber Verbrauchern, gilt also nicht für das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder im Verhältnis zu anderen Marktteilnehmern.

VIII. Wesentliche Beeinflussung von Verbraucherverhalten (§ 2 Abs. 1 Nr. 8)

Diese Definition wurde durch das Änderungsgesetz vom 2. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2158) neu hinzugefügt.

IX. Geschäftliche Entscheidung (§ 2 Abs. 1 Nr. 9)

Auch diese Definition wurde durch das Änderungsgesetz vom 2. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2158) neu hinzugefügt.

X. Verbraucher (§ 2 Abs. 2)

§ 2 Abs. 2 verweist für die Verbraucherdefinition auf § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Danach ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.


C. Literatur zu § 2 UWG

Beater, Mitbewerber und sonstige unternehmerische Marktteilnehmer
WRP 2009, 768

Glöckner, Der gegenständliche Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts nach der UWG-Novelle 2008 – ein Paradigmenwechsel mit Folgen
WRP 2009, 1175

Henning-Bodewig, Haften Privatpersonen nach dem UWG?
GRUR 2013, 26

Köhler, „Fachliche Sorgfalt“ – Der weiße Fleck auf der Landkarte des UWG
WRP 2012, 22

Schmidke, Unlautere geschäftliche Handlungen bei und nach Vertragsschluss
2011

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