A. Gesetzeswortlaut von § 6 UWG
§ 6 Vergleichende Werbung
B. Inhaltsverzeichnis
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I. Vergleichende Werbung – Definition
II. Unlautere Vergleiche
1. Waren und Dienstleistungen für unterschiedlichen Bedarf oder Zweckbestimmung
2. Kein objektiver Bezug auf Eigenschaften oder Preis von Waren oder Dienstleistungen
3. Verwechslungsgefahr
4. Rufausnutzung oder -beeinträchtigung
5. Herabsetzung oder Verunglimpfung eines Mitbewerbers
6. Imitation oder Nachahmung
I. Vergleichende Werbung – Definition (Zurück zum Inhaltsverzeichnis)
§ 6 Abs. 1 definiert vergleichende Werbung, wie sie im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist. Danach ist in vergleichender Werbung unmittelbar oder mittelbar ein Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar. Dabei handelt es sich um eine weit auszulegende Definition, die alle Arten der vergleichenden Werbung abdecken soll (EuGH, Urteil vom 08.04.2003, Az. C-44/01).
Als Werbung wird im Rahmen einer weiten Definition jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern, bezeichnet (BGH, Urteil vom 01.10.2009, Az. I ZR 134/07). Unter den Begriff der Werbung können daher z.B. auch fallen: Bestelllisten (KG Berlin, Urteil vom 28.08.2012, Az. 5 U 48/06), Domainnamen (EuGH, Urteil vom 11.07.2013, Az. C-657/11) oder Metatags (auch EuGH, Urteil vom 11.07.2013, Az. C-657/11).
Die vergleichende Werbung muss einen Bezug zu einem Mitbewerber herstellen. Für die Definition des Mitbewerbers gemäß § 6 ist die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 3 nicht unmittelbar anwendbar. Der Mitbewerberbegriff ist hier gemeinschaftsrechtlich gemäß der Richtlinie 2006/114/EG auszulegen und damit etwas enger als im sonstigen UWG. Für die Bestimmung, ob sich die vergleichende Werbung tatsächlich mit einem Mitbewerber befasst, ist maßgebliches Beurteilungskriterium die Substituierbarkeit (Austauschbarkeit) der angebotenen Waren oder Dienstleistungen (EuGH, Urteil vom 18.11.2010, Az. C‑159/09).
Für das Vorliegen vergleichender Werbung müssen weiterhin ein oder mehrere konkrete Mitbewerber erkennbar sein. Diese Voraussetzung ist für die Anwendung dieser Vorschrift unerlässlich (EuGH, Urteil vom 19.04.2007, Az. C‑381/05). Die Erkennbarkeit kann sich unmittelbar aus konkreter Benennung ergeben oder auch mittelbar geschehen (EuGH, Urteil vom 12.06.2008, Az. C-533/06). Für die Beurteilung der Erkennbarkeit kommt es dabei auf die mutmaßliche Wahrnehmung des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2014, Az. I-20 U 151/13). Bei einer nur abstrakten oder pauschalen Bezugnahme auf nicht näher identifizierbare Mitbewerber liegt keine ausreichend schwerwiegende Interessenverletzung des Einzelnen vor (BGH, Urteil vom 25.03.1999, Az. I ZR 77/97). Es muss ein Vergleich der von den Mitbewerbern angebotenen, hinreichend austauschbaren Produkte stattfinden (BGH, Urteil vom 19.05.2011, Az. I ZR 147/09).
II. Unlautere Vergleiche (Zurück zum Inhaltsverzeichnis)
§ 6 Abs. 2 listet die Voraussetzungen auf, unter denen eine – grundsätzlich zulässige – vergleichende Werbung unlauter und damit wettbewerbswidrig ist.
1. Waren oder Dienstleistungen für unterschiedlichen Bedarf oder Zweckbestimmung (Zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Eine vergleichende Werbung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn die beworbenen bzw. verglichenen Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder die gleiche Zweckbestimmung dienen, also austauschbar sind (EuGH, Urteil vom 19.09.2006, Az. C‑356/04). Eine Identität ist nicht erforderlich. Werden dagegen Waren oder Dienstleistungen für unterschiedlichen Bedarf bzw. unterschiedliche Zweckbestimmungen verglichen, liegt Unlauterkeit vor. Zur Feststellung, ob eine hinreichende Austauschbarkeit vorliegt, müssen die verglichenen Waren/Dienstleistungen individuell und konkret geprüft werden. Ein zulässiger Vergleich liegt beispielsweise beim Bezug auf die Warensortimente zweier Supermarktketten vor, wenn die einzelnen Produkte paarweise betrachtet vergleichbar sind (EuGH, Urteil vom 19.09.2006, Az. C-356/04). Ein Vergleich kann sich auch auf eine komplette Produktgattung beziehen (BGH, Urteil vom 15.10.1998, Az. I ZR 69/96 für Modeschmuck).
2. Kein objektiver Bezug auf Eigenschaften oder Preis von Waren oder Dienstleistungen (Zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Für eine zulässige vergleichende Werbung muss objektiv Bezug genommen werden auf Eigenschaften oder Preise der verglichenen Waren/Dienstleistungen. Die Eigenschaften müssen dabei wesentlich, relevant, nachprüfbar und typisch sein. Ob eine Eigenschaft einer Ware/Dienstleistung vorliegt, ist aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs zu beurteilen und weit auszulegen (BGH, Urteil vom 05.02.2004, Az. I ZR 171/01).
Ein Preisvergleich ist grundsätzlich zulässig. Irreführende Angaben in diesem Bereich sind allein nach § 5 zu beurteilen (BGH, Urteil vom 21.03.2007, Az. I ZR 184/03 – zulässiger Eigenpreisvergleich zwischen Hausmarke und Markenartikeln).
Weitere Eigenschaften sind alle auf der natürlichen Beschaffenheit des Produkts beruhenden Merkmale und seine Beziehungen zur Umwelt, sofern sie für Wertschätzung und Verwendbarkeit bedeutsam sind. Dazu zählen – neben offensichtlichen Eigenschaften wie Maße oder Inhaltsstoffe – auch beispielsweise der Herstellungsort, die Sicherheit, die Verpackung oder die Verfügbarkeit. Duft, Geschmack oder Image eines Produkts können auch Eigenschaften sein (BGH, Urteil vom 05.02.2004, Az. I ZR 171/01). Bei Zeitungen können beispielsweise die Auflagenhöhe oder die Leserstruktur Eigenschaften sein (OLG Hamburg, Urteil vom 26.05.2004, Az. 5 U 129/03).
Die Eigenschaften, auf welche sich der Vergleich bezieht, müssen nachprüfbar sein, d.h. es muss sich um Tatsachen oder jedenfalls Behauptungen mit einem Tatsachenkern handeln, welche einem Beweis zugänglich sind. Reine Werturteile ohne Tatsachenkern erfüllen dieses Erfordernis nicht und sind daher nicht für einen zulässigen Vergleich geeignet. Hinsichtlich der Frage, für wen die in Vergleich gezogenen Eigenschaften nachprüfbar sein müssen, hat der EuGH entschieden, dass die Richtigkeit der in der Werbung getätigten Äußerungen zwar seitens des Werbenden kurzfristig nachweisbar sein müssten, jedoch nicht für jeden Werbeadressaten sofort persönlich nachprüfbar sein müssen (EuGH, Urteil vom 19.09.2006, Az. C‑356/04). Den Werbenden trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.02.2011, Az. I-20 U 141/08).
Weiterhin muss es sich um wesentliche und relevante Eigenschaften handeln, wobei diese Begriffe weitgehend synonym verwendet werden können. Eine wesentliche Eigenschaft ist eine solche, die für den angesprochenen Verkehr nicht völlig unerheblich ist (BGH, Urteil vom 05.02.2004, Az. I ZR 171/01 und BGH, Urteil vom 30.09.2004, Az. I ZR 14/02).
Als typische Eigenschaft ist schließlich eine solche anzusehen, die repräsentativ und aussagekräftig für das Produkt als Ganzes ist (vgl. ebenfalls BGH, Urteil vom 05.02.2004, Az. I ZR 171/01).
3. Verwechslungsgefahr (Zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Ebenfalls eine unzulässige Vergleichswerbung liegt vor, wenn durch die Werbung eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber bzw. deren Produkten oder Kennzeichen herbeigeführt wird (KG Berlin, Urteil vom 28.08.2012, Az. 5 U 48/06 – Nachahmung Parfüm). Zu einer tatsächlichen Verwechslung muss es dabei nicht kommen, das Vorliegen der Gefahr ist für die Unlauterkeit ausreichend.
4. Rufausnutzung oder -beeinträchtigung (Zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Ein Werbevergleich, welcher den Ruf eines Kennzeichens eines Mitbewerbers ausnutzt oder beeinträchtigt, ist gemäß § 6 ebenfalls unzulässig. Schutzgegenstand sind dabei einzig die von Mitbewerbern benutzten Kennzeichen, welche für die angesprochenen Verkehrskreise dazu dienen, ein Unternehmen zu identifizieren.
Bei der Ausnutzung des Rufs eines Kennzeichens genügt nicht die bloße Nennung des Kennzeichens, sondern es muss ein Imagetransfer in der Weise stattfinden, dass der Verkehr den guten Ruf des fremden Kennzeichens auf das beworbene Produkt überträgt und dadurch eine Anreizwirkung erzeugt (BGH, Urteil vom 04.12.2008, Az. I ZR 3/06 – Ohrclips (Cartier)). Bei der Gegenüberstellung von objektiven und belegbaren Informationen liegt dagegen in der Regel keine Unlauterkeit vor. Häufig ist es für die Durchführung eines Werbevergleichs sogar notwendig, fremde Kennzeichen zu nennen, damit der angesprochene Verkehr ausreichend darüber informiert ist, welche Produkte genau dem Vergleich zu Grunde liegen (BGH, Urteil vom 28.09.2011, Az. I ZR 48/10).
Gegen eine Rufausnutzung spricht auch, wenn sich der Werbende als dem Produkt mit dem Kennzeichen der Konkurrenz überlegen darstellt, da er in diesem Fall gerade nicht die Wertschätzung für das fremde Kennzeichen auf das eigene Produkt übertragen will (OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014, Az. 6 U 7/14).
Eine unzulässige Beeinträchtigung von fremden Kennzeichen im Rahmen einer vergleichenden Werbung liegt vor, wenn die Wertschätzung des Kennzeichens bei den angesprochenen Verkehrskreisen verringert wird und ist ebenfalls dann unlauter, wenn das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht beachtet wird. Ein kritischer Vergleich ist damit nicht per se eine unzulässige Beeinträchtigung, sondern nur dann, wenn der Vergleich die Wertschätzung des Kennzeichens stärker beeinträchtigt als für die Durchführung des Vergleichs notwendig ist (ebenfalls BGH, Urteil vom 28.09.2011, Az. I ZR 48/10).
5. Herabsetzung oder Verunglimpfung eines Mitbewerbers (Zurück zum Inhaltsverzeichnis)
§ 6 Abs. 2 Nr. 5 erfasst die Unlauterkeit der Herabsetzung oder Verunglimpfung eines Mitbewerbers, wobei in diesem Fall nicht lediglich auf Kennzeichen, sondern auf alle Umstände des Mitbewerbers (Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse) abgestellt wird. Unter Herabsetzung wird die Verringerung der Wertschätzung in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise verstanden; die Verunglimpfung ist lediglich eine verstärkte Form. Abzugrenzen ist dieser Tatbestand von ironischer oder kritischer zulässiger Werbung.
Maßgeblich ist, ob die angegriffene Werbeaussage sich noch in den Grenzen einer sachlichen Erörterung hält oder bereits eine pauschale Abwertung der fremden Erzeugnisse darstellt (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.10.2014, Az. 6 U 199/13). Dies ist nach einer Betrachtung des Gesamtzusammenhanges der getätigten Äußerungen zu bewerten (BGH, Urteil vom 20.09.2007, Az. I ZR 171/04). Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind immer als Herabsetzung zu beurteilen, vgl. auch § 4 Nr. 1.
6. Imitation oder Nachahmung (Zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Schließlich verstößt es gegen das Lauterkeitsrecht, wenn eine Ware oder Dienstleistung sich als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt. Dabei soll – als Sonderfall der Rufausnutzung gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 – der Inhaber eines Kennzeichens dagegen geschützt werden, dass ein Nachahmer das eigene Produkt als Nachahmung des Originals bewirbt (OLG Köln, Urteil vom 20.06.2014, Az. 6 U 176/11). Dabei ist dieser Sonderfall restriktiv auszulegen, gerade im Hinblick auf zulässige Imitationen sonderrechtlich nicht (mehr) geschützter Produkte (BGH, Urteil vom 06.12.2007, Az. I ZR 169/04). Eine offene Bezeichnung eines Werbegegenstands als Imitation oder Nachahmung hat nach dieser Vorschrift zu unterbleiben; eine indirekte Implikation kann auch unter den Tatbestand fallen. Eine bloße Behauptung der Gleichwertigkeit hingegen ist zulässig (BGH, Urteil vom 22.07.2010, Az. I ZR 139/08).
C. Literatur zu § 6 UWG (Zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Alexander, Markenschutz und berechtigte Informationsinteressen bei Werbevergleichen
GRUR 2010, 482
Berlit, Der irreführende Werbevergleich
WRP 2010, 1105
Blankenburg, Gespaltenes Verständnis des Mitbewerberbegriffs im UWG?
WRP 2008, 186
Eichholz, Herabsetzung durch vergleichende Werbung
2008
Eckel, Markenrechtliche Zulässigkeit vergleichender Werbung in Deutschland und Großbritannien
GRUR Int. 2015, 438
Fezer, Kumulative Normenkonkurrenz zwischen Markenrecht und Lauterkeitsrecht
GRUR 2010, 953
Fiebig, Wohin mit dem „look-alike“?
WRP 2007, 1316
Henning-Bodewig, Nicht markenmäßiger Gebrauch und Art. 5 Abs. 5 Markenrechtsrichtlinie
GRUR Int 2008, 301
Holtz, Vergleichende Werbung in Deutschland
2009
Köhler, Der Schutz vor Produktnachahmung im Markenrecht, Geschmacksmusterrecht und neuen Lauterkeitsrecht
GRUR 2009, 445
Köhler, Die Rechtsprechung des EuGH zur vergleichenden Werbung: Analyse und Kritik
WRP 2008, 414
Köhler, Der „Mitbewerber“
GRUR 2009, 499
Köhler, Irreführende vergleichende Werbung
GRUR 2013, 761
Koppe/Zagouras, Rechtsprobleme der Testwerbung
WRP 2008, 1035
Lettl, Lauterkeitsrechtliche Haftung von Presseunternehmen für „Rankings”
GRUR 2007, 936
Mann/Körber, Werbefreiheit und Sponsoring – Möglichkeiten und Grenzen von Ambush Marketing unter besonderer Berücksichtigung des neuen UWG
GRUR 2008, 737
Ohly, Keyword-Advertising auf dem Weg von Karlsruhe nach Luxemburg
GRUR 2009, 709
Ohly, Vergleichende Werbung für Zubehör und Warensortimente – Anmerkungen zu den EuGH-Urteilen „Siemens/VIPA” und „LIDL Belgium/Colruyt”
GRUR 2007, 3
Ohly, Unlautere vergleichende Werbung als Markenverletzung?
Festschrift Doepner, 2008, 52
Peifer, Vergleichende Werbung und sonst nichts?
WRP 2011, 1
Rippert/Weimer, Vergleichende Werbung – eine Gegenüberstellung der Regeln in Deutschland und den USA
K&R 2007, 302
Römermann/Günther, Der Werbevergleich – Humorvoll! Sarkastisch! Zulässig?
BB 2010, 137
Sack, Der Mitbewerberbegriff des § 6 UWG
WRP 2008, 1141
Sack, Markenrechtliche Probleme vergleichender Werbung
GRUR 2008, 201
Sack, Die unlautere Ausnutzung des Rufs von Marken im Marken- und Wettbewerbsrecht
WRP 2011, 155
Sack, Unlautere vergleichende Werbung und Markenrecht
WRP 2011, 288
Sack, Reformbedarf bei § 6 UWG
GRUR 2015, 130
Sack, Vergleichende Werbung ohne Vergleich
WRP 2008, 170
Saßmann, Kehrtwende bei der vergleichenden Werbung
GRUR 2012, 545
Scherer, Kehrtwende bei der vergleichenden Werbung – Welche Konsequenzen hat die Änderung der BGH-Rechtsprechung?
GRUR 2012, 545
Thress, Die irreführende Produktvermarktung
2010
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